Zwei Aspekte der Campvereinbarung haben wir letztes Jahr ganz besonders genau diskutiert und verhandelt. Nämlich den “Umgang mit Alkohol und anderen bewusstseinsverändernden Drogen” und “Oben mit”.
Es sind gesellschaftspolitisch heiße und teilweise kontroverse Themen, die sich viel um Privilegien und strukturellen Unterdrückungsmechanismen drehen Uns ist bewusst, dass diese Vereinbarungen manche Menschen vor den Kopf stoßen. Das nehmen wir jedoch bewusst in Kauf. Unser Ziel ist es, zum Reflektieren des eigenen Handelns und der eigenen Realität anzuregen. Auch wenn wir versuchen, uns auf den Weg zur Utopie zu begeben, agieren wir nicht im luftleeren Raum. Solange Freiheiten nicht für alle gelten, sind sie Privilegien und um Privilegien abbauen zu können gilt es, sie sichtbar zu machen und die Menschen damit zu konfrontieren. Manche Menschen – besonders jene, die in ihrem Alltag mit vielen Privilegien leben – werden sich vorerst womöglich in ihrer persönlichen Freiheit eingeschränkt fühlen. Wir möchten Räume schaffen, um dieses Gefühl zu besprechen und gleichzeitig daran erinnern, dass in einer Gesellschaft immer Einschränkungen passieren, doch wo es normalerweise weniger privilegierte und/oder marginalisierte Menschen trifft, wollen wir diese Last am Camp einmal auf alle Schultern verteilen.
Deswegen ist es uns wichtig, hier die Hintergründe für unsere Entscheidungen darzulegen:
Oben, unten, mit oder ohne – Patriachat, zieh dich warm an!
Von den Werbeflächen der Konsumtempelfassaden lächeln sie uns an: halbnackte, meist weibliche*, Körper. Der Kapitalismus und die patriarchale Gesellschaft haben uns unsere Nacktheit gestohlen. Sie wird verhökert auf Kosten derer, die diesen gefakten Schönheitsidealen nicht entsprechen. Menschen als Objekt zu betrachten, ist längst gesellschaftliche Norm. Dem widersetzen wir uns am Klimacamp. Wir möchten dazu aufrufen, die T-Shirts und Tops nicht auszuziehen bis die kapitalistischen Verursacher*innen der Klimakrise ihren Platz räumen. Erst in einer freien Gesellschaft können wir Schönheitsideale, Sexismus und Konsum-orientierte Normen über Bord werfen.
Wir denken allerdings, dass viele von uns sich dieser patriarchalen Strukturen nicht bewusst sind. Auch das eigene Privileg den Schönheitsidealen zufällig zu entsprechen, ist häufig nur schwer selbst zu bemerken. Doch für Menschen, deren Körper nicht den gängigen Schönheits- und Geschlechternormen entsprechen, ist Nacktheit ein gesellschaftliches Tabu. Menschen, die trotzdem „oben ohne“ rumlaufen, müssen häufig sexistische Blicke oder Kommentare einstecken. Diese Sexualisierung und Tabuisierung ist sogar rechtlich festgeschrieben: Frauen*, die sich in der Öffentlichkeit mit nackten Oberkörper zeigen, können wegen “Verletzung des öffentlichen Anstands” angezeigt werden. Der Strafrahmen beträgt bis zu 1000 Euro bzw. 2 Wochen Arrest (siehe NÖ PSG §1). Deshalb gilt für uns am Camp: Oben mit und gemeinsam solidarisch schwitzen!
Ein wichtiger Punkt ist auch, dass nackte Oberkörper Erinnerungen an Gewalterfahrungen auslösen können. Deshalb sehen wir es als Aufgabe des Klimacamps einen sicheren Raum für alle zu schaffen und rufen dazu auf, das Gewand anzubehalten. Während dem Open Space (Mittwoch Nachmittag, Samstag Vormittag) wird es Diskussionsrunden zum dem Thema geben. Alle – vor allem diejenigen, die diese Vereinbarung als Eingriff in ihre persönliche Freiheit betrachten – sind dazu eingeladen sich an diesem Austausch zu beteiligen. Wenn ihr Fragen habt oder euch unwohl fühlt, könnt ihr auch gern jederzeit das Awareness-Team ansprechen.
Kein Alkohol ist auch (k)eine Lösung
Für viele Menschen sind sie nicht wegzudenken: der Morgen-Kaffee als Starter in einen effektiven Tag, Alkohol auf einer Party zum “locker werden” oder der Joint als Schlüssel zu freien Gedanken. Mit der Hilfe von Drogen, allen voran Alkohol, versuchen wir dem Stress, Frust und Zwang unserer Gesellschaft zu entfliehen. Auf dem Weg in eine Stress-freiere und klimagerechtere Gesellschaft wollen wir Drogen als Flucht-Werkzeug allerdings hinterfragen. Wir befürworten als Klimacamp zwar einen freien und verantwortungsvollen – gegenüber uns selbst und anderen – Drogenkonsum. Unser Verhalten unter Drogeneinfluss kann auf unsere Mitmenschen jedoch befremdlich und unangenehm wirken. Besonders Alkohol ist im Vergleich zu anderen Drogen gesellschaftlich stark legitimiert. Dabei werden die gesundheitlichen und sozialen Auswirkungen häufig stark verharmlost. Alkoholkonsum lässt die eigene Hemmschwelle senken und kann aggressives Verhalten gegen uns selbst oder andere verstärken. Dies macht grenzverletzendes und diskriminierendes Verhalten wahrscheinlicher. Menschen, die dies erfahren mussten, können schnell in diese Situationen zurückgeworfen werden. Das kann Angst, Schmerz und Unsicherheit auslösen. In vielen gesellschaftlichen Räumen ist es leider unmöglich, alkoholisierten bzw. von anderen Drogen beeinflussten Menschen auszuweichen. Das wollen wir im Klimacamp aufbrechen und drogenfreie Räume schaffen, in denen sich alle Menschen wohler und sicherer fühlen.
Während dem Open Space (Mittwoch Nachmittag, Samstag Vormittag) wird es Diskussionsrunden zu dem Thema geben. Alle – vor allem diejenigen, die diese Vereinbarung als Eingriff in ihre persönliche Freiheit betrachten – sind dazu eingeladen sich an diesem Austausch zu beteiligen. Wenn ihr Fragen habt oder euch unwohl fühlt, könnt ihr auch gern jederzeit das Awareness-Team ansprechen.